Nebengewerbe als Kurierfahrer - Kundenakquise und Kostenstruktur

    • Nebengewerbe als Kurierfahrer - Kundenakquise und Kostenstruktur

      Hallo zusammen,

      Spoiler-Warnung: langer Text.

      Ich habe eine Anfrage an die Community bezüglich einem Start in die Selbstständigkeit als Nebengewerbe und daher mit eingehender Kundenakquise. Ich weiß, dieses Thema wurde bereits mehrere Male behandelt, doch habe ich zu Kundengewinnung nichts passendes für diesen Fall gefunden. Falls ich ein Topic übersehen habe, kann mir gerne ein Link zugeschickt werden. Nun zu der Vorgeschichte.

      Ich bin Sozialarbeiter und betreue seit mehreren Jahren eine syrische Familie. Der Mann ist fest angestellt als Busfahrer im Öffentlichen Dienst. Er hegt schon lange den Wunsch sich selbstständig zu machen und etwas im Leben zu erreichen. Wie es in solchen Fällen oftmals ist, sucht man sich oftmals eine Niedriglohnbranche aus, bei denen die Zugangshürden nicht so hoch sind. Ich habe bereits eine anderen Bekannten beim Weg in die Selbstständigkeit (Reinigungsservice) begleitet und beraten und bin daher nicht ganz unerfahren in diesem Thema.

      Seine Idee ist es, neben dem Hauptberuf ein Nebengewerbe als Kurierfahrer anzumelden. Er möchte aber nicht als Subunternehmer für ein Paketlieferanten arbeiten, sondern lange Fahrtstrecken zurücklegen mit wenig Fracht. Ich habe von dieser Branche überhaupt keine Ahnung, würde ihn aber gerne unterstützen. Ich weiß, dass die meisten ihm davon abraten würden, diesen Schritt zu gehen, weil die Preise kaputt sind und es das Risiko nicht wert ist. Ich habe ihm auch davon abgeraten, aber wir sind alles Erwachsene und treffen unsere eigenen Entscheidungen. Deshalb möchte ich ihn unterstützen.

      Er möchte sich einen Transportwagen (3,5t) zulegen und dann lange Fahrtstrecken durchführen. Seine Möglichkeiten der Kundenakquise sind eingeschränkt, weil kein Netzwerk vorhanden ist und er auch mit Medien- und Öffentlichkeitsarbeit kaum Fertigkeiten besitzt. Gibt es für solche Fälle ein Portal, bei denen Aufträge aufgegeben und gefunden werden können? Nach meiner Recherche bin auf clicktrans(.)de und Kleinanzeigen gestoßen. Wie sind diese Portale einzuschätzen? Welche Alternativen gibt es? Wie kann er möglichst einfach an Aufträge herankommen?

      2. Frage zur Kostenstruktur:

      Ich gehe davon aus, dass er anfangs nicht über 22.000 Euro Umsatz kommen wird. Daher wäre er erstmal nicht Umsatzsteuerpflichtig. Ich habe jetzt mal folgende fixe Kosten aufgestellt. Bitte teilt mir mit, falls ich etwas vergessen habe:
      - Steuerberatung
      - Tanken
      - Unterhalt Transportwagen
      - KFZ Steuer
      - KFZ Versicherung
      - Haftpflicht

      Ich würde mich über Antworten freuen. Wenn keine Lust besteht, viel Text zu schreiben, können wir uns auch gerne telefonisch austauschen. Ich bin für jeden Rat dankbar. Aber nicht den Rat, es nicht zu machen, obwohl dieser Rat ein guter wäre. :D

      Liebe Grüße
      Marco
    • MarcoSch schrieb:

      weil die Preise kaputt sind und es das Risiko nicht wert ist.

      MarcoSch schrieb:

      Ich bin für jeden Rat dankbar. Aber nicht den Rat, es nicht zu machen, obwohl dieser Rat ein guter wäre.
      Der beste Rat überhaupt! Obwohl du nicht aus der Branche bist, siehst du die Situation sehr realistisch.
      Die innere Stimme ruft nach jedem Satz: TU.ES.NICHT!!
      kein Netzwerk , keine Branchenerfahrung, keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse: = Opfer
      Aber hilft wohl nix.....
      Das einzig tröstliche ist, dass er es zunächst als Nebenerwerb neben seinem sicheren Job als Busfahrer im ÖD machen will und hoffentlich das als Netz behält, bevor er sich ruiniert hat.

      MarcoSch schrieb:

      2. Frage zur Kostenstruktur:

      Ich gehe davon aus, dass er anfangs nicht über 22.000 Euro Umsatz kommen wird. Daher wäre er erstmal nicht Umsatzsteuerpflichtig. Ich habe jetzt mal folgende fixe Kosten aufgestellt. Bitte teilt mir mit, falls ich etwas vergessen habe:
      - Steuerberatung
      - Tanken
      - Unterhalt Transportwagen
      - KFZ Steuer
      - KFZ Versicherung
      - Haftpflicht
      Die Nutzung der Kleinunternehmerregelung bei der USt heisst aber auch, dass er die seinerseits gezahlte Umsatzsteuer (für Kauf Transporter, laufende Kosten z.B. Diesel) nicht als Vorsteuer absetzen kann (kein Vorsteuerabzug). Damit hat er diese nicht als durchlaufenden Posten, sondern als wirkliche Kosten in seiner Kalkulation.
      Andererseits bringt es ihm bei gewerblichen Auftraggebern keinen Wettbewerbsvorteil, da für diese die Umsatzsteuer wegen des Vorsteuerabzugs kostenneutral ist.
      Bei den aufgezählten Kosten fehlen noch: Verschleiss Reifen, Bremsen etc. pp. Rücklagen für Reparaturen, AfA / Abschreibung

      MarcoSch schrieb:

      Nach meiner Recherche bin auf clicktrans(.)de und Kleinanzeigen gestoßen. Wie sind diese Portale einzuschätzen? Welche Alternativen gibt es? Wie kann er möglichst einfach an Aufträge herankommen?
      Ja, da gibt es noch ein paar Börsen / Portale ...
      Wie sind die bei der Konstellation einzuschätzen? Nun, wirf einen Zierfisch in ein Piranhabecken und schau zu, wie lange er überlebt....
      Wenn ich mich mental wieder etwas gesammelt habe, schreibe ich vielleicht dazu noch etwas ;(
    • Vielen Dank für die Mühe, mir zu antworten. Ich lese da auf jeden Fall eine Portion Frustration heraus. Aber darum schätze ich die Antwort umso mehr.

      In der Tat gibt es viele Widrigkeiten, aber bei allen Nachteilen, muss ich sagen, dass diese Menschen oftmals ins Risiko gehen, weil sie nicht so viel zu verlieren haben. Er ist genügsam und hat einen festen Willen. Das sind im Prinzip zwei gute Eigenschaften. Es braucht dennoch noch einiges mehr. Deshalb schon mal vorab vielen Dank für weitere Beiträge (eventuell). :)
    • Busfahrer, daher wohl geregelte Schichten?
      Hat er vor am WE Bus zu fahren und die „freien Tage“ dann in der Woche nutzen und mit einem Ducato Dukaten auf der Straße einsammeln?
      guter Plan, nur sind auf der Schiene schon alle, bis auf die „nochniedereniedriglöhner“, Einfahrten besetzt.

      soll lieber Pizza ausfahren, stressfreier und mehr Kohle bei weniger Risiko zzgl sparen bei den Lebensmitteln
    • das sind genau die, die für wenig Geld fahren, weil Sie über den Haupterwerb abgesichert sind.
      Wenn ich die 22k Einnahmen fürs Jahr annehme, dann fährt er doch nur 2 –4 Touren im Monat.

      Nimm einfach mal das Angebot der „Polen-Sprinter“- Fraktion, 0,65 pro gefahrenen Lastkilometer und rechne seine Kosten dagegen.
      Er müsste dann dafür ~ 2500- 3000 Kilometer fahren.

      Bei Ihm kommt noch dazu, das er wahrscheinlich einen Leerkilometeranteil von 50% hat, weil er ja wieder heim muss um seinem Hauptgewerbe nachzugehen.

      Er soll sich was besseres überlegen?
    • Die Idee mit der USt. finde ich grandios. Einen der größten Kostentreiber (Diesel) als durchlaufenden Posten brutto zu buchen; das hat schon was. Da muß man erst einmal draufkommen.

      Warum beschleicht mich ganz leise das Gefühl, das der Verbrauch des Busses alsbald signifikant ansteigen wird und es bei amazon keine Kanister mehr zu kaufen gibt.
      Toleranz ist der Verdacht, das der andere Recht hat . Kurt Tucholsky

      Ein chinesisches Sprichwort sagt: Schläfst du ein mit Hintern der juckt, wachst du auf mit Finger der stinkt!
    • thommygera schrieb:

      Die Idee mit der USt. finde ich grandios. Einen der größten Kostentreiber (Diesel) als durchlaufenden Posten brutto zu buchen; das hat schon was. Da muß man erst einmal draufkommen.
      Warum beschleicht mich ganz leise das Gefühl, das der Verbrauch des Busses alsbald signifikant ansteigen wird und es bei amazon keine Kanister mehr zu kaufen gibt.
      Ääh, ich kann deinen Gedankengängen heute morgen nicht ganz folgen :P
      Es geht um die Sinnfrage Kleinunternehmerregelung bei USt nutzen oder nicht, 19% USt auf ??? Kosten wie üblich mit Vorsteuerabzug als durchlaufenden Posten oder ohne bei Inanspruchnahme Kleinunternehmerregelung
      Die macht m.M. nur Sinn bei Konstellation
      1) private Auftraggeber
      plus
      2) kaum Materialeinsatz im Kostenblock, man fakturiert im wesentlichen nur seine Arbeitsleistung
      Beim Transportunternehmer also meistens sinnfrei, selbst wenn man unter der Schwelle 22T€ liegen sollte.

      Und wie sich jetzt daraus ein exorbitant ansteigender Kraftstoffverbrauch plus Kanisterbedarf ergeben könnte, den Klimmzug schafft meine Fantasie nicht :/
      Aber liegt vielleicht dran dass Montag ist :D

      @MarcoSch solche Abschweifungen gehören mit dazu, wir kommen in der Regel schon wieder zum Kernthema zurück ;)
    • Ahnungslos 3.0 schrieb:



      Jetzt packen wir unsere negativen Gedankengänge schnell wieder ein und machen seriöse Existenzgründerberatung :)
      ok. Warum braucht man für einen Bauchladen einen Steuerberater? In der angepeilten Größenordnung und ohne USt-Voranmeldung hat man doch eine einfache Einnahmen-Überschußrechnung oder irre ich da? Die 3 Zahlen passen auf einen Bierdeckel. Da reicht Excel oder die kleinste Lösung (Warenwirtschaft glaube) von lexware vollkommen aus. Vielleicht gibts auch was von Buhl, wie z.B. Wiso. Das Kniffligste wird wohl die AfA sein, aber da könnte man auch leasen und hat dier Kosten direkt in der BWA.

      Ich sehe in der Aufstellung keine Kosten für BG, IHK und GEZ. Ich zahle für mein Nebengewerbe mal eben 90 Euro jährlich Mindestbeitrag an die BG, auch ohne, das ich was gemacht hätte.

      "Er hegt schon lange den Wunsch sich selbstständig zu machen und etwas im Leben zu erreichen." Und das im Transportsektor. Auf gehts.
      Toleranz ist der Verdacht, das der andere Recht hat . Kurt Tucholsky

      Ein chinesisches Sprichwort sagt: Schläfst du ein mit Hintern der juckt, wachst du auf mit Finger der stinkt!
    • thommygera schrieb:

      Ich sehe in der Aufstellung keine Kosten für BG, IHK und GEZ. Ich zahle für mein Nebengewerbe mal eben 90 Euro jährlich Mindestbeitrag an die BG, auch ohne, das ich was gemacht hätte.
      IHK/GEZ bin ich bei. Als Einzelunternehmer / geschäftsf. Gesellschafter bin ich bei der BG beitragsfrei. Aber die 90€ p.a. laufen im Zweifelsfall in einer Pauschale für "sonstiges"

      thommygera schrieb:

      ok. Warum braucht man für einen Bauchladen einen Steuerberater? In der angepeilten Größenordnung und ohne USt-Voranmeldung hat man doch eine einfache Einnahmen-Überschußrechnung oder irre ich da? Die 3 Zahlen passen auf einen Bierdeckel. Da reicht Excel oder die kleinste Lösung (Warenwirtschaft glaube) von lexware vollkommen aus. Vielleicht gibts auch was von Buhl, wie z.B. Wiso.
      Der soll bei den oben beschriebenen Szenario eine eigene Steuererklärung mit mehreren Einkunftsarten hinbekommen?
      Wenn der StB was taugt gibt es ein paar hilfreiche Tipps wie z.B. das vom (hoffentlich ^^ ) in ersten Jahr erwirtschafteten Gewinn im zweiten Jahr die Stadtkasse die Gewerbesteuer und das Finanzamt die Einkommenssteuer haben will. Das wird bei solchen Existenzgründungen oft übersehen.


      MarcoSch schrieb:

      Vielen Dank für die Mühe, mir zu antworten. Ich lese da auf jeden Fall eine Portion Frustration heraus. Aber darum schätze ich die Antwort umso mehr.
      Ich mache jetzt über drei Jahrzehnte Spedition und seit fast einem Jahrzehnt "Forum": Die Geschäftsidee "selbständig mit 3,5to" kommt hier "gefühlt" jedes halbe Jahr. Von Zehn die es mit einer Mischung aus Blauäugigkeit und Beratungsresistenz in den toten Markt wagen, bleiben vielleicht 2 länger wie zwei Jahre übrig. Und das sind dann eher die, die in Sachen Branchenkenntnis, Kontakte und Betriebswirtschaft nicht ganz bei Null anfangen.

      Zur Kundengewinnung gibt es bei dem Szenario keine guten Ratschläge , sondern nur schlechte:
      (Ebay)Kleinanzeigen, MyHammer, UShip, Shiply : Mitsteigern bei Privatkunden-Transporten (die Sofagarnitur und die Waschmaschine). Das Zeug kann man i.d.R. ohne Termindruck nebenher mal fahren. Normalerweise lässt man davon die Finger, auf den Plattformen tummeln sich als Auftraggeber und -nehmer die Amateure.

      Gewerbliche Ad-hoc Transporte "jetzt und gleich" über die "Profi"-Frachtbörsen (Timocom, Courier.net) über längere und mittlere Strecken: Grenzüberschreitend zu 100% von osteuropäischen Frachtenmaklern kontrolliert, innerdeutsch zum größten Teil. Die disponieren Flotten von teilweise mehreren Hundert 3,5to, die Angebote sind in kürzester Zeit vom Markt.
      Preisniveau nur realisierbar wenn man in Anschluss flexibel europaweit kreuz und quer die Fahrzeuge weiterdisponieren kann.
      Nix: ich muss morgen wieder Bus fahren und brauche deshalb was zurück Richtung A....
      Allgemeine Marktsituation: Transportaufkommen ist seit Herbst letzten Jahres rückläufig, folglich der wird Preiswettbewerb immer stärker.

      Zur Sicherheit, falls noch nicht bekannt: Genehmigungsfreie Transporte mit 3,5to sind nur national möglich. Grenzüberschreitend wird das volle Programm fällig: Gemeinschaftslizenz mit Sach- und Fachkundeprüfung, Nachweis der finanzielle Leistungsfähigkeit.

      Das alles wird deinen Klienten im Zweifelsfall nicht von seiner Idee abbringen, aber er sollte es schon mal gehört haben.

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